Zigeunermord

Familie Janson vom Hermannsstag

Dies ist nicht die Familie von der die Geschichte unten handelt!

Als Zigeuner verfolgt
Familie Janson
Bad Laasphe

Karl Janson, geb. Am 18. Januar 1890 in Saßmannshausen
Hedwig Janson, geb. Janson geb. Am 11. Dezember 1891 in Siegen
Karl Janson, geb. Am 1.0ktober 1911 in Siegen

Karl Janson wurde am 18. Januar 1890 in der sog. Zigeunerkolonie in Saßmannshausen geboren. Er war ein Sohn der unverehelichten und taubstummen Sophie Janson, deren Vater ebenfalls Karl hieß.
Er heiratete die aus Siegen stammende Hedwig Janson, die am 11. Dezember 1891 geboren wurde. Seit 1913 wohnte die Familie Janson in Laasphe im Eigenheim im Hesselbacher Weg 6 (heute Gennernbach 12). Karl Janson war Soldat im 1.
Weltkrieg und erhielt Kriegsauszeichnungen.
Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor. Das älteste war Sohn Karl, der am 1.0ktober 1911 zur Welt kam. Ihm folgten die Töchter Hedwig, genannt Hetti, und Emmi.
Mit Schreiben vom 2. November 1942 wandte sich Karl Janson an den Reichsminister des Inneren um seine Herausnahme aus den Zigeunerbestimmungen zu erwirken. Etwa drei Wochen später ging bei der Stadt Laasphe ein Schreiben der Staatlichen Kriminalpolizei-Kriminalpolizeistelle Dortmund ein, in dem mitgeteilt wurde, dass über dieses Gesuch nicht entschieden werden könne mit der Begründung, „dass der Reichsführer SS beabsichtigt, die Behandlung des Zigeunerproblems auf eine neue Grundlage zu stellen".
Der Bürgermeister - als Ortspolizeibehörde - wurde ersucht, Karl Janson darüber zu unterrichten und eine Stellungnahme abzugeben, ob das Gesamtverhalten des Karl Janson und seiner Familienangehörigen als „sozial angepasst" angesehen werden kann, dass seine Herausnahme aus den Zigeunerbestimmungen unbedenklich erfolgen kann.
Nachdem Karl Janson ins Bürgermeisteramt einbestellt worden war, teilte der Laaspher Bürgermeister mit Schreiben vom 3. Dezember 1942 an die Staatliche Kriminalpolizei mit:

„Anliegend übersende ich die mit Janson aufgenommene Verhandlungsniederschrift. Das Gesamtverhalten des Karl Janson und seinen Familienangehörigen kann als „sozial angepasst" angesehen werden sodass eine Herausnahme aus den Zigeunerbestimmungen m.E. unbedenklich erfolgen kann. Die Familie Janson wohnt seit 1913 ununterbrochen in Laasphe. Seit dieser Zeit ist Janson sen. Hauseigentümer. Janson und auch seine Angehörigen sind immer sesshaft gewesen und haben immer in einem festen Arbeitsverhältnis gestanden. Sämtliche Familienangehörigen sind unbestraft. Es handelt sich um ordentliche, saubere und fleißige Leute. Der allgemeine Ruf ist in jeder Hinsicht einwandfrei. Es kann auch bestätigt werden, dass die Familie Janson nie eine
zigeunerische Lebensweise geführt hat. Janson selbst ist Weltkriegsteilnehmer 1914/18 und Inhaber von Kriegsauszeichnungen. Der Sohn Karl hat am jetzigen Krieg teilgenommen. Bei den Sammlungen für das WHW. und die NSV. hat sich die Familie Janson immer in einem ihren Verhältnissen entsprechenden Maße beteiligt“.
[Aus dem Schreiben vom 3.12.1942 des Bürgermeisters an die Staatliche Kriminalpolizei]

Alle guten Worte aus dem Bürgermeisteramt waren vergebens. Am 9. März 1942 musste das Ehepaar Janson seinen Wohnsitz am Hesselbacher Weg verlassen und am Bahnhof den Zug besteigen, um den Weg ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau anzutreten. Im dortigen „Zigeunerlager" starb Karl Janson am 13. Juli 1943, seine Frau Hedwig wenige Wochen später am 7. August 1943.

Zum Zeitpunkt der Deportation von Karl und Hedwig Janson war ihr Sohn Karl Soldat im 2. Weltkrieg. Seine Stammeinheit war in Gelnhausen. Karl Janson jun. nahm zunächst am Frankreich-Feldzug teil und war später an der Ostfront, wie aus seinem Wehrpass (Soldbuch) hervor geht. Als er bei einem Heimaturlaub nach Hause kam, berichteten die im Elternhaus lebenden Schwestern Hedwig und Emmi vom Schicksal der Eltern und teilten ihm mit, dass nach ihm gefragt worden sei. Karl Janson muss einen spontanen Beschluss gefasst haben, um dem gleichen Schicksal wie dem seiner Eltern zu entgehen. Er ging die Treppe hinauf, holte sein Gewehr hervor und schoss sich in dem Kopf, um seinem Leben ein Ende zu setzen. Der Kopfschuss endete nicht tödlich. Ärzte in der Marburger Klinik retteten sein Leben, konnten aber sein Augenlicht nicht retten. Karl Janson erblindete. Bei seinem Aufenthalt im „Haus Sonnenblick" in Marburg lernte er Margarethe Maas kennen, die sich zu dieser Zeit dort ebenfalls als Patientin aufhielt.

Die beiden heirateten und hatten zwei Söhne: Karl-Heinz und Günter.
In einem Gespräch des Verfassers mit den beiden Brüdern bekennt Karl-Heinz Janson freimütig, er habe sich für seine Herkunft geschämt. Die aus dem Rheinland stammende Mutter hatte die beiden katholisch erzogen, der Vater war evangelisch. Karl-Heinz hatte den Wunsch, Messdiener zu werden. Doch dieser Wunsch ging nicht in Erfüllung. Der Vikar hatte gesagt: „Aus einer Mischehe nehme ich keinen und einen Schwarzen schon gar nicht."
Auch nach der Kindheit sah sich Karl-Heinz Diskriminierungen ausgesetzt. Seine erste große Liebe führte deshalb nicht zur Eheschließung, weil die Eltern der Braut darauf beharrten: „Den aus der Zigeunerfamilie darfst du nicht heiraten." Und auch später holte ihn seine Herkunft ein. Er hatte im Alter von 19 Jahren Laasphe verlassen und war beruflich oft im Ausland unterwegs.
Bei einem geschäftlichen Aufenthalt in den USA in 1979 - Karl-Heinz war damals 31 Jahre alt - musste er die Worte hören: „Herr Janson, von ihrer Sorte hat man doch noch nicht genug vergast."
Auch der jüngere Bruder Günter erlebte schon als Kind Diskriminierungen. Er erinnert sich noch genau an einen Krankenhausaufenthalt in Berleburg, als er acht Jahre alt war. Ein Pfleger hatte an seinem Bett den Namen Janson gelesen und gesagt: „Bist du auch vom Zigeunerberg?" Ähnlich wie bei seinem Bruder führte eine Beziehung nicht zur Eheschließung, weil die Eltern der Braut dagegen waren, als sie von der Herkunft des Bräutigams erfahren hatten.
Keinerlei Diskriminierungen waren die beiden als heranwachsende Kinder in ihrem Umfeld in der Laaspher „Wallachei" ausgesetzt. Hier konnten sie völlig unbeschwert mit den Kindern aus der Nachbarschaft spielen.
Das Verhältnis von Karl-Heinz zu seinem Vater war nicht einfach. Der ältere Sohn erlebte ihn als „verbittert". Einen besseren Zugang zum Vater hatte Sohn Günter, der bei Spaziergängen, Erledigungen und Besuchen Karl Jansons ständiger Begleiter war. Der Vater sei nach außen hin sehr eitel gewesen erinnert er sich. Seine Anzüge habe Karl Janson maßschneidern lassen.
Über die Erlebnisse in der NS-Zeit erfuhren die beiden Brüder von ihren Eltern so gut wie nichts und auch in der Schule sei dieses Thema nicht zur Sprache gekommen, erinnern sie sich.
Günter Janson erfuhr erst nach dem frühen Tod des Vaters - der gelernte Nietenwärmer Karl Janson verstarb im Alter von 49 Jahren am 21. Mai 1961 - mehr über die familiäre Vergangenheit durch seine Tante Emmi, seines Vaters jüngste Schwester. Durch sie hat er auch die einzigen Erinnerungen an seine Großeltern, die er nie erleben konnte. So weiß er heute, dass seine Großmutter großen Wert darauf gelegt hatte, ihre eigene Kaffeetasse mitzunehmen, als die Großeltern am 9. März 1943 nach Auschwitz deportiert wurden.
Hedwig Janson hatte gesagt, sie wolle nicht aus den Tassen trinken, die es dort gebe, wo sie hinkomme. Auch die Großmutter litt unter dem Stigma, als „Zigeuner" abgestempelt zu sein.
Sie nahm ihren Personalausweis und entfernte sorgsam die Anschrift „Zigeunerkolonie" unter der Ortsangabe Saßmannshausen und ersetzte sie durch „Wittgenstein“.
Das Einzige, was den Enkeln Karl-Heinz und Günter Janson von ihren Großeltern blieb, sind ein Foto von Karl und Hedwig Janson sowie die Familiengeige, die aus dem Jahre 1773 stammt. Das Musikinstrument wird zwar nicht mehr benutzt, hat aber seinen Ehrenplatz in Günter Jansons Wohnzimmerschrank.

Verfasst von Rainer Becker, Bad Laasphe

Erschienen am Samstag, den 08.März 2008 in der Wittgensteiner Rundschau als Regionalzeitung der Westfälischen Rundschau. WR 58 RBB_5

Zigeunerkolonie Domäne Saßmannshausen

Bildquelle: Hans Wied

Zigeuner in Bad Berleburg